Zur arglistigen Täuschung eines Kapitalanlegers als Grund für eine außerordentliche Kündigung seiner Beteiligung

OLG München, Urteil vom 25.10.2012 – 23 U 2248/12

Wird ein Anleger durch eine arglistige Täuschung zum Beitritt bewegt, stellt dies einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung seiner Beteiligung dar. Dabei ist eine arglistige Täuschung – im Gegensatz zu einer nur fahrlässigen Falschberatung – dann anzunehmen, wenn der Berater oder Vermittler über Tatsachen, die ersichtlich für die Entscheidung des Anlegers von Bedeutung sind, zumindest bedingt vorsätzlich oder ins Blaue hinein falsche Angaben macht (Rn. 10).

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts München II vom 01.02.2012, Az. 3 O 4654/11, aufgehoben.

II. Es wird festgestellt, dass durch die außerordentliche Kündigung vom 04.01.2011 die Beteiligung des Klägers als Kommanditist an der Gesellschaft der Beklagten (Konto Nr. …41, Kunden-Nr. …81) wirksam beendet ist.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

Das Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO begründet wie folgt.

I.

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Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, in der er seinen ursprünglichen Antrag weiterverfolgt.

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Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung.

II.

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Die zulässige Berufung ist begründet.

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1. Die Klage ist zulässig. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Landgerichts München II unter Ziff. 1 der Entscheidungsgründe Bezug genommen werden.

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2. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Durch die außerordentliche Kündigung vom 04.01.2011 wurde die Beteiligung des Klägers als Kommanditist an der Beklagten wirksam beendet:

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2.1. Unstreitig hat der Kläger am 29.05.2006 die „Beitrittserklärung“ Anlage A 1 unterzeichnet und war ab 01.08.2006 an der Beklagten beteiligt. Dahingestellt bleiben kann, ob er unmittelbar Kommanditist, oder mittelbar als Treugeber über die F. Beteiligungs Treuhand GmbH beteiligt war. Auch in letzterem Fall war er nach § 7 Ziff. 2 des Gesellschaftsvertrags der KG (Anlage A 2, Prospekt S. 35) jedenfalls im Innenverhältnis einem Gesellschafter gleichgestellt.

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2.2. Die außerordentliche Kündigung vom 4.01.2011 (Anlage A 3) war wirksam.

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2.2.1. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB, §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB lag vor, da der Kläger über die Sicherheit seiner Beteiligung arglistig getäuscht wurde:

10

Wird ein Anleger durch eine arglistige Täuschung zum Beitritt bewegt, stellt dies einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung seiner Beteiligung dar (BGH NJW-RR 2011, S. 263, 264 f; BGH, Urteil vom 22.05.2012, Az. II ZR 35/10, zitiert nach Juris Tz. 30; BGH NJW 2007, S. 1127, 1128 Tz. 18; BGH NJW 2006, S. 1955, 1956 Tz. 27). Dabei ist eine arglistige Täuschung – im Gegensatz zu einer nur fahrlässigen Falschberatung – dann anzunehmen, wenn der Berater oder Vermittler über Tatsachen, die ersichtlich für die Entscheidung des Anlegers von Bedeutung sind, zumindest bedingt vorsätzlich oder ins Blaue hinein falsche Angaben macht (BGH NJW 2008, S. 644, 648; BGH NJW 2006, S. 2839, 2840).

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2.2.1.1. Der Senat geht davon aus, dass Herr M. gegenüber dem Kläger erklärt hat, man müsse bei der Anlage „keine Angst haben, dass das Geld weg sei“. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen K., wie sie im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.02.2012 (S. 3, Bl. 37 der Akte) niedergelegt ist. Im Kern wird diese Angabe bestätigt von der Aussage der Zeugin D. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 01.02.2012 (S. 2, Bl. 36 der Akte) hat die Zeugin ausgesagt, Herr M. habe die Anlage als „sicher wie jede Versicherung oder Bank“ dargestellt.

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Das Landgericht hat ausführlich und überzeugend im Urteil begründet, dass es beide Zeugen für glaubwürdig und ihre Aussagen für glaubhaft hält. Dem folgt der Senat. Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

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Eine erneute Einvernahme der Zeugin D. und des Zeugen K. ist nicht erforderlich. Der Senat beurteilt die Glaubwürdigkeit der Zeugen und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen nicht anders als das Erstgericht, sondern zieht lediglich aus den Aussagen der Zeugen andere materiell-rechtliche Schlüsse. Das Landgericht hat eine arglistige Täuschung verneint, da nach den Aussagen der Zeugen zwar möglich, aber nicht hinreichend sicher sei, dass der Zeuge K. die Beteiligung an der Beklagten „als besonders sicheres Anlageprodukt“ dargestellt habe (Urteil S. 6, dritter Absatz). Jedoch kommt es darauf nicht entscheidend an. Vielmehr genügt es zur Bejahung einer arglistigen Täuschung bereits, wenn Herr M., der zumindest auch als Berater aufgetreten ist, erklärt hat, man müsse keine Angst haben, dass das Geld weg sei. Dass das Landgericht diesen Teil der Zeugenaussagen bei der rechtlichen Beurteilung nicht berücksichtigt hat, zwingt den Senat nicht zu einer erneuten Einvernahme der Zeugen (vgl. BGH NJW 1994, S. 1341, 1344; BGH, Urteil vom 08.01.1985, VI ZR 96/83, zitiert nach Juris Tz. 15). Insbesondere ist für den Senat nicht ersichtlich, dass gerade dieser Teil der Aussagen des Zeugen K. und der Zeugin D. nicht glaubhaft sein sollten, zumal sich die Angaben im wesentlichen Kern decken.

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2.2.1.2. Die Aussage des Herrn M. war unzutreffend. Die Anlage war nicht so sicher wie dargestellt, da sogar ein Totalverlust möglich erschien. Dies ergibt sich bereits aus dem Prospekt (Anlage A 2). Dort wird auf S. 18 ausgeführt, ein Totalverlust sei eher unwahrscheinlich, „wenngleich nicht gänzlich ausgeschlossen“. Zudem hat die Beklagte den Vortrag des Klägers, die Anlage sei nicht völlig sicher, nicht bestritten.

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Eine arglistige Täuschung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Risiken im Prospekt zutreffend dargestellt sind und der Kläger unterzeichnet hat, er sei auf die im Prospekt dargestellten Risiken hingewiesen worden (s. Beratungsprotokoll Anlage A 3). Auch wenn im Prospekt die Risiken einer Kapitalanlage hinreichend verdeutlicht sind, ist dies kein Freibrief für den Vermittler, Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit seinen Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt entwertet (BGH NJW 2007, S. 1690, 1691). Vorliegend hat Herr M. mit seiner Angabe die im Prospekt dargestellten Risiken relativiert und somit die Entscheidungsgrundlage für den Kläger verzerrt.

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2.2.1.3. Es liegt auch nicht nur eine fahrlässige Falschberatung vor. Das Risiko der Beteiligung ist für die Anlageentscheidung ersichtlich ein wesentlicher Punkt. Grundsätzlich ist zu erwarten, dass Herr M. als Berater den Inhalt des Prospekts jedenfalls bezüglich so wichtiger Punkte wie der Risiken kannte und somit diese gegenüber dem Kläger absichtlich falsch dargestellt hat. Aber selbst wenn Herr M. den Inhalt des Prospekts nicht gekannt hätte, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Dann hätte er ins Blaue hinein Aussagen zu den Risiken getroffen. Auch dies genügt für eine arglistige Täuschung (s. oben vor 2.2.1.1).

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2.2.2. Die arglistige Täuschung war auch kausal für den Beitritt. Der Kläger hat vorgetragen, bei richtiger Aufklärung hätte er sich nicht an der Beklagten beteiligt. Dies hat die Beklagte nicht bestritten.

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2.2.3. Ob der Kläger auch noch arglistig getäuscht wurde, indem ihm von Herrn M. vor dem Beitritt 8 % Rendite als „realistisch“ in Aussicht gestellt wurden, kann dahingestellt bleiben. Mithin war auch der Beklagtenvertreterin die von ihr beantragte Schriftsatzfrist nicht zu gewähren.

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2.3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt.

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